Bei einer Umfrage haben 70% der befragten Stadtbewohner angegeben, dass sie sich ein Leben auf dem Land gut vorstellen könnten. Auf dem Land ist es ruhiger, die Luftqualität ist besser und im Sommer ist es kühler. Jetzt ist die Frage, wie man diese Vorteile auch in die Städte bringen kann.
Urban Gardening stärkt nicht nur die Gemeinschaft und schafft weitere Nahrungsmittel, sondern ist essentiell, um das Klima und die Luft in den Großstädten zu verbessern.
In diesem Artikel erkläre ich dir, was überhaupt die Problematik in den Städten ist und wie diese durch den Anbau von Grünflächen und Urban Gardening gelöst werden kann. Zum Abschluss gebe ich dir noch einmal ein paar Tipps, wie du selbst mit dazu beitragen kannst.
Inhalt
- Was ist Urban Gardening?
- Die wichtigsten Fakten
- Problemlage der Städte
- Wie können Urban Gardening und die weitere Bepflanzung von Städten helfen?
- Urban Gardening gegen die Nahrungsmittelknappheit
- Der Anbau eines Urbanen Gartens
- Fazit
Was ist Urban Gardening?
Unter dem Begriff “Urban Gardening" oder auf deutsch “Urbanes Gärtnern”, versteht man das Nutzen von städtischen Flächen zu gärtnerischen Zwecken. Dabei werden Gärten oder einzelne Pflanzen auf kleinstem Raum angelegt und gepflegt.
Urban Gardening ist ein Teil des Urban Green Space (Urbane Grünfläche). Damit sind alle bepflanzten Regionen in städtischer Umgebung gemeint.
Die wichtigsten Fakten
- In den Städten wird es immer heißer und die Luftqualität ist schlecht
- Durch Beton, stark versiegelte Flächen, Emissionen und Gebäudegeometrie werden bebaute Orte zu Wärmeinseln
- Luftverschmutzung ist das größte Umweltrisiko für die Gesundheit
- Pflanzen dienen als Luftfilter, Auffrischer und biologische Klimaanlage
- Mit Urbanen Gärten trägt man seinen Teil dazu bei, das Grün in die Städte zu bringen
- Urban Gardening ist eine effektive Lösung gegen die Nahrungsmittelknappheit
- Du musst wissen wo, was und wie du anbaust und anbauen darfst
Die Problemlage in den Städten
Die Hitze
Laut Messungen, liegen die 10 heißesten Jahre seit 1980 alle in den 2010er Jahren oder danach. Das heißt, die Welt wird immer wärmer, um mehr als 1,2 °C Oberflächentemperatur genauer gesagt.
Was man schon auf dem Land spürt, ist in den Städten nur noch extremer.
Beton kann etwas mehr als die Hälfte an Energie wie Wasser einspeichern (2.300 kJ/m³K), wodurch der Beton der Häuser und Straßen die Hitze der Sonne, wie ein thermischer Akku speichert. Bebaute Orte werden somit zu Wärmeinseln, in denen es bis zu 10°C wärmer sein kann als im ländlichen Umland.
Nicht nur der Beton, sondern auch die Gebäudegeometrie oder die Strahlungseigenschaften der Oberflächen an sich haben Einfluss darauf, wie warm es in einem Stadtteil werden kann.
Auch anthropogene (vom Mensch verursachte) Wärmefreisetzung und Emissionen, wie zum Beispiel Hausbrände, Industrie oder Verkehr, führen zu erhöhten Temperaturen.
Auf Grund von stark versiegelten Flächen, welche den Niederschlag nicht aufnehmen, sondern unterirdisch ableiten, kann zusätzlich keine Kühlung durch die Verdunstung des Wassers geleistet werden.
©Deutscher Wetterdienst (DWD): Städtische Wärmeinseln und deren Einflussfaktoren
https://www.stadtklimanatur.bayern.de/klimaanpassung/gruen_in_der_stadt/index.html
Zunahme von Tropennächten
Diese Faktoren sind der Grund, dass es nicht nur tagsüber unerträglich in den Städten wird, sondern auch die Tropennächte immer mehr zunehmen. In einer Tropennacht fällt die Temperatur nicht unter 20°C, was dazu führt, dass sich der Körper beim Schlafen nicht ausreichend abkühlen kann und somit kaum Erholung bekommt. Gerade ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes in Berlin verdoppeln sich die Tropennächte bis 2100 von derzeit 5, auf 10 pro Jahr. Im Rekordsommer 2018 gab es sogar 22 solcher Nächte. Dazu soll die Durchschnittstemperatur um einige Grad ansteigen und sich auch die heißen Tage bis 2100 verfünffachen. Somit wäre das Klima in Berlin 2100 vergleichbar mit dem derzeitigen Klima im südfranzösischen Toulouse.
Die Luftverschmutzung
Aber nicht nur die Hitze, sondern auch die Luftverschmutzung ist eine Gefahr. Sie zählt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als das größte Umweltrisiko für die Gesundheit, an der pro Jahr schätzungsweise 7 Mio. Menschen sterben, davon 3,7 Mio. Todesfälle, hauptsächlich aufgrund von Feinstaub und CO2 Belastung in der Luft .
Diese Schadstoffe können zu Atemwegs - und Herz - Kreislauferkrankungen führen und gerade ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen sind dabei, wie bei der zunehmenden Hitze, besonders betroffen.
Um die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern, gibt die WHO einen Richtwert für die Feinstaubbelastung an. Dieser beträgt 5 μg/m³, wird aber nur bei 3% von 343 untersuchten europäischen Städten eingehalten. Die restlichen 97% liegen alle über dem Richtwert. Die Stadt mit der schlechtesten Luftverschmutzung 2022 ist Nowy Sacz in Polen mit 28,8 μg/m³.
Außerhalb von Europa verhält sich die Luftverschmutzung nicht besser. Im Jahr 2022 führte die Republik Tschad die Tabelle der größten Luftverschmutzung mit 89,7 μg/m³ an. Danach folgen Irak mit 80,1 μg/m³ und Pakistan mit 70,9 μg/m³.
Wie können Urban Gardening und die weitere Bepflanzung von Städten helfen?
Luftfilter und Auffrischer
Pflanzen dienen als Luftfilter und Auffrischer, egal ob sie in deinem Garten stehen, im Stadtpark oder einfach in der Umgebung wachsen. Sie ziehen Schadstoffe wie CO2 aus der Luft und geben gereinigten Sauerstoff wieder ab. Das ist aber nur einer der vielen Vorteile, die sie auf das Klima und die Luftqualität haben.
Laut einer empirischen Studie der Technischen Universität in München (TUM) kann schon ein Grünflächenanteil von 40% den Hitzestress im Sommer um die Hälfte reduzieren.
Das heißt also, jede Pflanze zählt und trägt ein Stück dazu bei, die Luftqualität zu verbessern.
Biologische Klimaanlagen
Neben den schon genannten Vorteilen, kühlen Pflanzen ihre Umgebung ab, indem sie Wasserdampf durch die Spaltöffnungen der Blätter abgeben. Dieser Vorgang wird Transpiration genannt.
Durch Regenwasserspeicherung und anschließende Verdunstung wirken sie dem Versiegelungsgrad entgegen und verbessern somit die Luftqualität und kühlen die Umgebung ab.
Dachbegrünung alleine soll, laut einer Studie der Technischen Universität Dresden, schon 60% der Abflussmenge von Wasser verringern.
Bäume
Gerade Bäume können aufgrund ihrer relativ großen Blattoberfläche Schadstoffe direkt aufnehmen oder an ihrer Oberfläche deponieren. Ihr Blätterdach spendet auch kühlenden Schatten und hält dabei die Strahlung, die auf den Boden trifft, um 40% ab.
Ein ausgewachsener Baum speichert im Jahr etwa 3500 kg CO2 und produziert im Gegenzug 4600 kg Sauerstoff. Zudem filtert er bei einer Blattdecke von 15.000 m² ein Volumen von 36.000 m³ Luft am Tag.
Man muss jedoch darauf achten, dass die Bäume die Luftzirkulation nicht behindern, da diese wichtig ist, um Schadstoffe abzutransportieren.
Abhilfe gegen die Betonbauten
Pflanzen können bei den wärmespeichernden Betonwänden der Häuser Abhilfe schaffen. Durch Vertikalbegrünung können diese Flächen zur Verbesserung des Klimas genutzt werden.
Je nach Belaubungsdichte können Kletterpflanzen als Beispiel, ca. 80% der einfallenden Sonnenstrahlung von den Wandoberflächen abhalten.
Gärten in den Städten
Jetzt fragt man sich, mit den ganzen aufgeführten Vorteilen ist klar, dass es sinnvoll ist, mehr Grün in die Städte zu bringen. Warum sind die meisten Städte jedoch so kahl und grau?
In vielen Städten und Gemeinden werden immer mehr Projekte für den Ausbau von Grünflächen geplant und umgesetzt, jedoch herrscht meist ein großer Platzmangel. Mangel an Wohnraum und das Verständnis einer “kompakten Stadt” stehen dem Grün im Weg. Investoren verfolgen eher andere Ziele, denn auf Grünflächen wachsen kaum Renditen.
Um den Stadträten also unter die Arme zu greifen und den Prozess zu beschleunigen, kannst du als Bürger auch selbst Initiative ergreifen, um das Klima zu verbessern und deine Gesundheit zu schützen.
Mit jeder Pflanze und jeder Grünfläche, die du anlegst, trägst du ein Stück dazu bei, das Leben in der Stadt zu verbessern.
Mit einem kleinen Garten förderst du die Biodiversität in den Städten, womit du gleichzeitig auch einen Lebensraum für die kleineren Tierarten schaffst.
Etwas Grün in dein Leben zu bringen soll aber auch deiner seelischen Gesundheit gut tun.
Urban Gardening gegen die Nahrungsmittelknappheit
735 Millionen Menschen hungern auf der Welt. Aufgrund von Kriegen, Klimawandel und damit einhergehenden Naturkatastrophen leiden nicht nur viele Menschen, sondern auch die Umwelt. Flächen, die vorher gut für die Landwirtschaft und den Anbau von Nahrung geeignet waren, sind jetzt ungeeignet oder werden durch weiteren Wohnraum für die immer mehr werdenden Menschen ersetzt.
Urban Gardening kann da Abhilfe schaffen. Durch den Anbau von Nahrung in städtischer Umgebung kann die Fläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden und somit auch mehr Nahrungsmittel produziert werden. Zudem kann jeder als Selbstversorger seine eigene Nahrung anbauen und muss sich nicht mehr auf die oft zu teuren Lebensmittel verlassen.
Urban Farming
Der Anbau eines Urbanen Gartens
Worauf musst du achten?
Zuallererst musst du wissen, wo du deinen Garten errichten möchtest. Auf deiner Fensterbank, auf deinem Balkon oder größer angelegt mit deinen Nachbarn in der Umgebung oder auf dem Dach?
Falls du einen größeren und gemeinschaftlichen Garten errichten möchtest, musst du dich zu den Regelungen in deiner Stadt oder Gemeinde informieren. Diese sind nämlich meist sehr unterschiedlich
Zudem musst du wissen, was du überhaupt anbauen möchtest. Falls du einfach nur etwas Grün in die Stadt bringen und dabei noch die Tiere unterstützen möchtest, macht es Sinn, zu Sträuchern oder Wildblumen zu greifen.
Falls du aber noch etwas Mehrwert für dich herausholen möchtest, kannst du auch Gemüse oder andere Nutzpflanzen anbauen. Gemüsesorten der jeweiligen Region und Saison eignen sich dabei am besten.
Klassiker für Selbstversorger sind Kartoffeln, Kohl, Möhren und Salate aller Art. Auch kleine Vitaminbomben wie Erdbeeren, Himbeeren und Johannisbeeren sind anbaubar. Als frische Unterstützung in der Küche kann man auch zu Tomaten, Paprika oder allerhand Kräuter greifen.
Beim Anbau von Nutzpflanzen ist wichtig zu beachten, dass du immer genug Abstand zu Straßen oder anderen Stellen hältst, an denen viele Schadstoffe in die Luft gelangen, damit diese davon nicht so stark betroffen sind. Das kann nämlich zu schadstoffbelasteten Ernten führen.
Auch solltest du darauf achten, deine Nutzpflanzen nicht in den vorhandenen, gewachsenen Boden, sondern immer in Kisten, Töpfen oder anderen separaten Behältern einzusetzen.
Zierpflanzen, wie Geranien oder Primeln eignen sich meistens eher weniger, da sie schwieriger in der Pflege und meist nur zur Deko sind.
Achte unbedingt immer darauf, dass alles, was du anpflanzt, auch genug Platz hat, um vernünftig zu gedeihen.
Verschiedene Bauarten
Das Living Wall System (vertical farming)
Pflanzen werden vertikal an einer Wand oder einer speziell dafür entworfenen Vorrichtung gepflanzt. Ein Beispiel dafür ist ein Pflanzturm.
Bewässerung: Bei kleinen Systemen reicht eine manuelle Bewässerung, bei großen Systemen wird jedoch ein Bewässerungssystem benötigt. Dabei läuft das Wasser in bestimmten Zyklen von oben nach unten durch die Wand.
Das Hochbeet
Das klassische Hochbeet ist platzsparend und einfach zu pflegen. Auch hast du hier bis auf den Platz keine Einschränkungen darin, was du anbauen kannst. Der Aufbau ist unkompliziert und für jeden machbar.
Bewässerung: manuelle Bewässerung
https://www.weser-kurier.de/bremen/hochbeet-pflanzen-vom-hanseatenhof-werden-verschenkt-doc7e3zcuikfid59oybeez
Wasserbett ohne Erde (deep water culture)
Die pflegeleichteste Methode von allen. Hierbei wird ein großer Behälter, der mit einer Luftpumpe und einem Luftstein ausgestattet ist, mit Wasser gefüllt. In das Wasser werden dann Nährstoffe gegeben, die sich die Pflanzen sonst aus dem Boden ziehen würden. Dann musst du diese nur noch in ein Loch von einem schwimmbaren Untersatz stecken und dabei darauf achten, dass die Wurzel in das Wasser reicht.
Bewässerung: Nicht nötig, durch das Wasser werden die Pflanzen automatisch bewässert.
Hier ist nochmal ein ausführlicheres Tutorial zu diesem System: Deep Water Culture (DWC) Hydroponics System Tutorial
Fazit
Um das Klima und die Luft in unseren Städten zu verbessern, aber auch den Menschen zu helfen, die unter Hunger leiden, stellt Urban Gardening eine enorm effektive Lösung dar.
Du hast somit nicht nur eine neue spaßige Freizeitbeschäftigung, sondern förderst gleichzeitig Artenvielfalt und stärkst das Gemeinschaftsgefühl.
Falls dich dieser Artikel überzeugt hat, selber mit dem Urban Gardening zu starten, dann lass es mich in den Kommentaren wissen. Um auch direkt anzufangen und keine Zeit zu verlieren, habe ich hier nochmal eine Anleitung zu einem Pflanzturm, den du direkt nachmachen kannst.
Gartenprojekt : Einen Pflanzturm/Erdbeersäule ganz einfach selber bauen aus einem KG Rohr
Quellen:
Beobachtete und künftig zu erwartende globale Klimaänderungen | Umweltbundesamt
Natürliche Quellen von Luftschadstoffen | Umweltbundesamt
https://www.umweltbundesamt.de/print/17790
Wetter der Zukunft: Städte werden immer heißer - Spektrum der Wissenschaft
Stadt - Land - Flucht / Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GfK
Vertikalbegrünungen als Element Grüner Infrastrukturen in Städten
Schutzgutbezogenes Leitbild Klima/Luft
Schon gewusst? Grünflächen kühlen Städte ab :: Pflanzenforschung.de
Deep Water Culture (DWC): What Is It And How To Get Started
Wetter und Klima - Deutscher Wetterdienst - Städtische Wärmeinsel
https://pure.mpg.de/rest/items/item_3182091/component/file_3373847/content
Die Länder mit der weltweit höchsten Luftverschmutzung im Jahr 2022 – PM2,5-Rangliste | IQAir
https://die-gruene-stadt.de/wp-content/uploads/2022/04/dgs-broschuere-gruenestaedte-2021-1.pdf
https://youtu.be/ORPZfHFRugk?si=iNaVs696hiRnzJVZ
https://www.mdpi.com/2077-0472/13/2/502
https://unipub.uni-graz.at//obvugrhs/content/titleinfo/1255770